Weihnachten und Corona

Weihnachtsmarkt Osterholz-Scharmbeck
Aus besseren Zeiten ... Weihnachtsmarkt Osterholz-Scharmbeck
Romantische Schneelandschaften, Glühwein, Driving home for Christmas, Familienidylle, verdientes Chillen zum Jahresausklang … alljährlich eine Zeit voller Bilder und Sehnsüchte.

Und dann Corona … Oh je! Oder vielleicht doch nur halb so schlimm und wird schon gut gehen? Angesichts sinkender Infektionszahlen und der in Aussicht gestellten Lockerungen zum Weihnachtsfest könnte man ja vielleicht unsicher werden. Wie wollt ihr Weihnachten feiern?

Ich fürchte, die kommenden sechs Wochen werden sehr entscheidend und potenziell lebensgefährlich sein. Ich würde gerne möglichst viele Mitmenschen überzeugen, sich und ihren Lieben das Schlimmste zu ersparen.

Die Fakten
  1. Das SARS-Cov-2-Virus ist ein emotionsloser winziger Eiweißklumpen, dem christliche Feiertage völlig egal sind, genauso übrigens wie islamische oder jüdische Feiertage.
  2. Corona-Neuinfektionen Deutschland
    Corona-Neuinfektionen in Deutschland
    Der steile Anstieg der Infektionszahlen vom Oktober ist gestoppt. Seit dem 8. November und damit eine Woche nach Inkrafttreten des „Lockdown light“ stagnieren die Neuinfektionen auf hohem Niveau. In der Folge ebenfalls seit Wochen kaum verändert die Zahl aktiv Infizierter. Sie wird bekanntlich nur geschätzt und liegt bei ca. 300.000, also etwa 0,36 % der Bevölkerung.
  3. In den Regionen ist das Infektionsgeschehen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während sich einige Städte und Landkreise positiv entwickeln, kommt es in anderen zu teilweise unerwarteten und manchmal rasanten Ausbrüchen.
  4. Anders als zu Beginn der Pandemie noch gedacht, wird das Virus nicht nur durch Tröpfcheninfektion weitergegeben. Entscheidend beteiligt sind auch Aerosole, unsichtbare Sprühnebel mit kleinsten virushaltigen Partikeln. Sie können das Virus in geschlossenen Räumen über viele Meter verbreiten. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion über Aerosole steigt mit der Dauer des Aufenthaltes und nimmt ab mit der Größe und Höhe des Raumes, dem Schutzfaktor getragener Masken und der Intensität von Lüftung bzw. Luftreinigung. Mit Hilfe dieser Parameter lässt sich das durchschnittliche Infektionsrisiko in einem Raum abschätzen. Ein solches mathematisches Modell hat die Arbeitsgruppe um Prof. Jos Lelieveld in der Abt. Atmosphärenchemie am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz entwickelt und im November publiziert (Originalarbeit). In „Zeit Online“ ist das Modell von einer Autorengruppe um Fabian Dinklage am 26.11. sehr anschaulich präsentiert (Artikel).
  5. Corona-Intensivpatienten
    Covid-19-Patienten auf deutschen Intensivstationen
    Deutschlands Intensivstationen sind seit Wochen sehr stark belastet. Die Anzahl an Patienten mit Covid-19 nimmt weiter zu, wenn auch langsamer als im Oktober. Ihr Anteil an der Gesamtzahl von Intensivpatienten ist regional sehr unterschiedlich, zwischen 3 % in Schlesweig-Holstein und 27 % in Berlin. Derzeit werden täglich gut 500 neue Covid-Patienten auf deutschen Intensivstationen aufgenommen. Lt. DIVI-Intensivregister waren in 1.287 meldenden Kliniken von 20.541 Erwachsenenbetten am 3. Dezember noch 4.325 frei. Ob diese frei gemeldeten Betten tatsächlich für die Versorgung von Patienten zur Verfügung stehen, ist sehr strittig. Schon jetzt sind vermeintlich freie Betten wegen des Mangels an qualifiziertem Personal oftmals nicht belegbar und die Berichte von Notärztinnen und Notärzten über zum Teil mehr als 100 km weite Verlegungsfahrten häufen sich.
  6. Lt. ARD-DeutschlandTrend vom 3.12. halten 53 % der Befragten die Ausnahme hinsichtlich der Kontaktbeschränkungen über die Weihnachtstage für „eher richtig“. Mehr als die Hälfte hat also wenig oder keine Bedenken, dass sich zehn Erwachsene aus beliebig vielen Haushalten zusammen mit beliebig vielen bis zu 14-Jährigen in geschlossenen Räumen aufhalten.
  7. Die Fallsterblichkeit von Corona-Infizierten liegt in Deutschland derzeit bei >60-Jährigen zwischen 2.0 und 2.5 %, bei über 80-Jährigen bei 12.1 bis 13.5 %.
Meine Prognosen
  • Weihnachtsidyllle
    Über Weihnachten werden sich viele Menschen verschiedener Generationen aus eigentlich getrennten Haushalten über Stunden innerhalb geschlossener Räume treffen. Selbst wenn es uns im Landkreis gelingt, die Infektionszahlen bis dahin halbwegs im Griff zu halten, werden auch Menschen aus höher belasteten Regionen dabei sein. Wenn sich ein Infizierter an Weihnachten mit beispielsweise 14 Menschen 5 Std. lang in einem Raum von 40 m2 aufhalten sollte, wird er statistisch drei weitere infizieren.
  • Die Infektionszahlen werden deshalb ab Jahresbeginn 2021 nochmals merklich ansteigen.
    Covid-Infektionen USA
    Corona-Neuinfektionen in den USA
    Wie das aussehen kann, zeigt der Verlauf der Neuinfektionen in den USA, wo man Ende November schon Hoffnung auf ein Abflauen der 3. Welle hatte. Wenige Tage nach Thanksgiving, dem wichtigsten Familienfest der US-Amerikaner, kam es dann aber zu einem erneuten Anstieg der Zahlen. In Deutschland wird der Anteil über 60-Jähriger und über 80-Jähriger hoch bleiben. Demzufolge werden auch kritische Verläufe ab der 2. Januarwoche nochmals häufiger werden.
  • Zum Anstieg der Covid-Fallzahlen wird hinzukommen, dass pflegerisches und ärztliches Fachpersonal in Folge eigener Erkrankung, Isolation oder Quarantäne häufiger ausfällt. Die gewohnte intensivmedizinische Maximalversorgung wird nicht mehr überall und zu jeder Zeit vorausgesetzt werden können. Das betrifft dann nicht nur Covid-Patienten, sondern auch Menschen mit Herzinfarkt, anderen schweren Erkrankungen oder nach schweren Verkehrsunfällen.
  • In der Folge wird die Fallsterblichkeit auch in Deutschland zunehmen.
Was kann man tun?
  • Vermeidet es auf Teufel komm raus, euch selbst oder eure Lieben über Weihnachten oder Silvester zu infizieren.
  • Wenn irgend möglich: Indoor-Weihnachten nur in der gewohnten Umgebung mit den Menschen im eigenen Haushalt.
  • Für Verwandte und Freunde, die eure Nähe brauchen oder deren Nähe ihr braucht, gibt es meines Erachtens diese Optionen:
    1. Video-Weihnacht: Bei Freunden in den USA stand an Thanksgiving neben dem Truthahn ein Tablet auf dem Tisch. Darauf lief stundenlang die Familien-Videokonferenz. Jetzt wäre noch Zeit, allen Familienmitgliedern eine geeignete Infrastruktur zu basteln.
    2. Corona-Schnelltest
      Schnelltest negativ 🙂
      Outdoor-Weihnacht: Draußen mit 1.50 m Abstand hat das Virus kaum eine Chance.
    3. Masked Xmas: Wenn es unbedingt drinnen sein muss, können Masken und eine zeitliche Beschränkung auf 60 (besser natürlich 30) Minuten das Infektionsrisiko deutlich mindern. Mindestens alle >60-Jährigen sollten dann FFP2-Masken verwenden.
    4. Wenn es unbedingt drinnen und ohne Maske sein muss, kann eine selbst auferlegte Quarantäne von 5 Tagen vor dem Treffen mit anschließendem PCR-Test (am Tag vor dem Treffen) oder AG-Schnelltest (am Tag des Treffens) das Infektionsrisiko drastisch senken. Die sonstigen Hygieneregeln sollten natürlich weiterhin Beachtung finden.
Zu guter Letzt

Am Ende wird alles gut … und wenn es noch nicht gut ist, war es noch nicht das Ende.

Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass unser Leben schon zu Ostern um ein Vielfaches angenehmer, bunter und menschlicher sein wird. Bleibt bis dahin gesund ?‍♂️

Fluvoxamine bei Covid-19

Fluvoxamin
Fluvoxamin ist ein Antidepressivum
Das Antidepressivum Fluvoxamin hat in einer randomisierten plazebokontrollierten Studie der Washington University in St. Louis, Missouri einen signifikanten Vorteil für Patienten mit Covid-19 im Frühstadium gezeigt. Auf Grund der kleinen Fallzahl und der nur kurzen Nachbeobachtung von 15 Tagen kann damit noch keine Therapieempfehlung begründet werden, das Ergebnis soll in einer größeren Studie überprüft werden.

Fluvoxamin ist ein sog. selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und wird zur Behandlung von Zwangsstörungen, Angststörungen und Depressionen eingesetzt. Im Gegensatz zu anderen SSRI interagiert Fluvoxamin stark mit dem Sigma-1-Rezeptor (S1R), einem Protein, dass auch bei der Regulation der Entzündungsreaktion des Körpers mitwirkt. In früheren Studien an Mäusen hatte Fluvoxamine bei Sepsis zu geringeren Schäden durch die Entzündungsreaktion geführt.

Lenze EJ et al.: Fluvoxamine vs Placebo and Clinical Deterioration in Outpatients With Symptomatic COVID-19.
A Randomized Clinical Trial. JAMA. Published online November 12, 2020.
doi:10.1001/jama.2020.22760

Von April bis August 2020 wurden insgesamt 152 ambulant behandelte Patienten mit Covid-19 und einer Sauerstoffsättigung von ≥92 % bis max. 7 Tage nach Symptombeginn eingeschlossen. 80 von ihnen erhielten 100 mg Fluvoxamine 3 x tgl. für 15 Tage, 72 ein Plazebo. Primärer Studienendpunkt war eine klinische Verschlechterung innerhalb von 15 Tagen, definiert als Kombination aus (1) Luftnot oder Klinikaufnahme wegen Luftnot oder Pneumonie und (2) O2-Sättigung <92 % (Raumluft) oder O2-Bedarf zum Errichen einer O2-Sättigung von ≥92 %.

Diesen Endpunkt erreichten 0 von 80 Patienten unter Fluvoxamin und 6 von 72 Patienten unter Plazebo (p=.009). In der Fluvoxamine-Gruppe traten 1 schweres und 11 andere unerwünschte Ereignise auf, in der Plazebo-Gruppe 6 schwere und 12 andere.

Corona-Wasserstand Landkreis Osterholz 10.11.2020

Corona-Zahlen Landkreis Osterholz
Neuinfektionen im Landkreis Osterolz (Quelle: NLGA 10. Nov. 2020 09:00 Uhr - Vorsicht: Meldeverzug)

Mit „nur“ 13 neuen Fällen (11 für den gestrigen Montag, 2 Nachmeldungen) fällt der Inzidenzwert im Landkreis Osterholz auf 125,5.

Erstmals seit Langem geht auch die geschätzte Zahl aktuell Infizierter zurück, wie auch gestern bereits im Land Bremen. Mit aller Vorsicht ein Silberstreif am Horizont.

Gemeinde Aktive Infektionen
6.11. 9.11. 10.11.
Grasberg 21 21 20
Hambergen 10 11 10
Lilienthal 34 32 33
Osterholz-Scharmbeck 51 65 64
Ritterhude 36 32 30
Schwanewede 45 55 50
Worpswede 4 5 5
Summe 201 221 212

Aktuell befinden sich lt. Gesundheitsamt 1.483 (+177) Personen wegen Kontaktes zu einem Infizierten (Kontaktperson Kategorie 1) in häuslicher Quarantäne.

Corona-Wasserstand im LK Osterholz

Corona-Neuinfektionen Landkreis Osterholz
Neuinfektionen und Inzidenzwert
Es geht leider immer noch aufwärts… Hier die aktuellen Daten des Nds. Landesgesundheitsamtes (NLGA, Stand 5.11.2020 09:00 Uhr), die für die Berechnung der Inzidenzrate und sich daraus evtl. ergebende Konsequenzen verbindlich sind.

Konkret führt die heutige Inzidenzrate von 107,1 dazu, dass Schulen mit aktuellem Infektionsgeschehen ab morgen für 14 Tage in das Szenario B (verkleinerte Kohorten mit Wechsel zwischen Präsenzunterricht und Homeschooling) wechseln. Betroffen sind derzeit die Waldschule Schwanewede und die IGS Osterholz-Scharmbeck.

Corona-Faktencheck: mehr Fälle nur wegen mehr Tests?

Seit Wochen haben wir wieder steigende Fallzahlen. Selbsternannte Gegner der vermeintlichen Corona-Diktatur behaupten, dies sei lediglich auf die höhere Anzahl von Corona-Tests zurückzuführen. Und viele Nachplapperer verbreiten das munter, ohne sich lange mit den Fakten abzumühen.

Corona-Tests Deutschland
Corona-Tests in Deutschland (Quelle: RKI-Lagebericht 12.8.20 und eigene Berechnung).

Dabei sind diese Fakten unmissverständlich:

JA, die Anzahl an Corona-Tests ist gestiegen (s. graue Balken in der Grafik). In den letzten fünf Wochen von 505.518 auf 672.171 nach den Zahlen des RKI.

UND NEIN, der Zuwachs an neuen Corona-Fällen (rote Balken) von 3.080 auf 6.909 wöchentlich ist dadurch keineswegs erklärt. Die gelbe Linie „fiktiver Fälle“ zeigt, was mit dem höheren Testaufkommen erklärbar wäre. In der vergangenen Woche wären das 4.033 positive Tests gewesen, tatsächlich aber waren es 6.909.

Corona-Faktencheck: Contact-Tracing in Japan

Japan soll das neue Schlaraffenland für Corona-Strategen im Kampf gegen die „2. Welle“ sein, die angesichts langsam steigender Zahlen zu drohen scheint. Anfang August meldete sich der von mir hochgeschätzte Charité-Virologe Drosten mit einem Gast-Kommentar bei Zeit-online aus dem Urlaub zurück, der solches nahezulegen scheint.

Es hilft ein Blick nach Japan. … Statt viel und ungezielt zu testen, hat Japan früh darauf gesetzt, Übertragungscluster zu unterbinden. … Die gezielte Eindämmung von Clustern ist anscheinend wichtiger als das Auffinden von Einzelfällen durch breite Testung.

Ich plädiere nun dafür, im Fall der Überlastung nur (oder zumindest vor allem) dann mit behördlichen Maßnahmen auf einen positiven Test zu reagieren, wenn er von einem möglichen Clustermitglied stammt. Die vielen Tests, die die Politik derzeit vorbereitet, werden bald öfter positiv ausfallen und die Gesundheitsämter dann überfordern – schließlich kann man das Virus ja nicht wegtesten, man muss auf positive Tests auch reagieren.

Hier gilt: Der Blick zurück ist wichtiger als der Blick nach vorn. Denn Infektionsfälle werden meist erst mehrere Tage nach dem Auftreten von Symptomen erkannt. Das Gesundheitsamt muss zurückblicken: War der Patient in einem Großraumbüro tätig, feierte er mit Verwandten, während er wirklich infektiös war, also etwa seit Tag zwei vor Symptombeginn? Noch wichtiger: Wo könnte sich der Patient eine Woche vor dem Auftreten der Symptome infiziert haben – könnte das in einem Cluster geschehen sein? Jeder Bürger sollte in diesem Winter ein Kontakt-Tagebuch führen.
(Quelle: Drosten C: Zweite Corona-Welle: Ein Plan für den Herbst. Zeit online 5.8.2020)

Hier aber irrt Drosten. Oder besser gesagt: seine Thesen stammen vermutlich aus einer Zeit (Anfang Juli in seinem Urlaub vielleicht?), als man solches noch annehmen durfte. Mittlerweile zeigen die Zahlen unmissverständlich, das ein Re-Make der Japan-Strategie kein wirklich toller Plan ist:

Corona-Tests Japan
Tgl. Fallzahl positiver SARS-Cov2-Tests in Japan
(Quelle: worldometers.info 09.08.2020)
Corona-Tests Deutschland
Tgl. Fallzahl positiver SARS-Cov2-Tests in Deutschland
(Quelle: worldometers.info 09.08.2020)

Ist mir ein Rätsel, wie man dann sowas Anfang August noch publizieren mochte …

Wissenswertes zur eigenen Meinungsbildung

Japan hat ca. 126 Mio Einw. und 469 „local public health centres“ mit mehr als 25.000 Beschäftigten. (Quelle: Saito T: Contact-tracing and peer pressure: how Japan has controlled coronavirus The Guardian 06.06.2020) Anfang August lag die Test-Häufigkeit lt. worldometers.info bei 7.790 Tests pro 1 Mio Einw..

Deutschland hat ca. 84 Mio. Einw. und knapp 400 Gesundheitsämter mit ca. 17.000 Beschäftigten, davon ca. 2.500 Ärztinnen oder Ärzte). (Quelle: BVÖGD abgerufen 09.08.2020) Die Test-Häufigkeit lag Anfang August lt. worldometers.info bei 102.500 Tests/1 Mio Einw.

Davidsohn, Ernst

Ernst Davidsohn
Ernst Davidsohn
Ernst Davidsohn (1891-1942) war ein Sohn der alteingesessenen und angesehenen Kaufmannsfamilie Davidsohn in Scharmbeck. Im Nationalsozialismus wurde er entrechtet, in ein Konzentrationslager gesperrt und 1942 ermordet.

Ernst wurde am 27. Juli 1891 als Sohn von Eduard Davidsohn und dessen Frau Ottilie geboren. Sein Cousin Johan Davidsohn wurde bereits im November 1934 als 30-jähriger Referendar von 40-50 Männern zusammengeschlagen, in „Schutzhaft“ genommen und nach Berlin gebracht, nachdem er mehrere Flugblätter, die zum Boykott jüdischer Geschäfte aufriefen, entfernt hatte.

Dem seit 1933 von den Nationalsozialisten organisierten, u. a. mit Plakaten und uniformierten Wachen vor den Geschäften durchgesetzten Boykott jüdischer Geschäfte hielt das Unternehmen zunächst stand, erst das völlige Verbot jüdischer Geschäftstätigkeit führte 1938 zur Geschäftsaufgabe. Geschäft und Immobilie Bekleidungshaus wurde von Heinrich von Seggern übernommen.

Nach der sog. Reichspogromnacht (9./10. November 1938), in deren Verlauf SA-Männer nach der vereitelten Brandstiftung an der ehemaligen Synagoge in die Wohnungen ansässiger Juden eindrangen und u. a. Ernsts Cousine Ilse (geb. 1906) schwer verletzten, wurden Ernst und sein Cousin Johan in „Schutzhaft“ genommen.

Polizeiprotokoll Henny Cohen Schutzhaft
Polizeiprotokoll betr. 'Schutzhaft'
Im Oktober 1937 verkaufte Ernst für die Fa. J. D. Davidsohn eine Hammewiese von 4 ha bei Tietjens Hütte für RM 11.000 (Kaufkraft 2011 ca. € 43.000, Quelle: Wikipedia) an den Landwirt Gevert Blendermann aus Heilshorn. Im Kaufvertrag des Notars Heinrich Helck ist Ernsts Wohnadresse zu diesem Zeitpunkt mit Kirchenstraße 4 angegeben. Am 28.10.1938 verkaufte Ernst Geschäft und Immobilie für RM 40.000 (Kaufkraft 2011 ca. € 170.000) an von Seggern (Quelle: Anzeige Osterholzer Kreisblatt). Am 6. Dezember 1938 musste Ernst seinen Führerschein, dessen Besitz Juden nunmehr untersagt war, bei der Polizei abgeben.

Ebenfalls 1938 musste Ernst in das von seiner Tante Toni und Cousine Ilse sowie zuvor von Johan bewohnte Haus in der Bahnhofstraße 84 ziehen. 1939 mussten die Davidsohns dort die Familie ihres ehemaligen Konkurrenten Alfred Cohen als Mieter aufnehmen, die auf Grund des Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden vom 30. April 1939 von der Stadtverwaltung unfreiwillig zum Umzug genötigt wurden. Die Immobilie in der Bahnhofstraße verkaufte Toni im Januar 1941, bevor sie mit Ilse in ein Bremer Judenhaus in der Wiesbadener Straße umzog. (Quelle: Murken)

Ernst wurde am 18. November 1941 mit 569 seiner Leidensgenossen (440 aus Bremen und 130 aus dem Regierungsbezirk Stade) am Bremer Lloydbahnhof zusammengetrieben und über Hamburg, wo weitere 407 Juden aus Hamburg und Umgebung zusteigen mussten, nach Minsk verfrachtet. Dort kam er am 23. November an, sein weiteres Schicksal ist nicht bekannt. Er kam entweder bereits im ersten Winter im Ghetto von Minsk oder 1942 im Rahmen der Massentötungen durch Vergasen oder Erschießen ums Leben.

Eintrag im Gedenkbuch beim Bundesarchiv

Davidsohn, Ernst
* 27. Juli 1891 in Osterholz-Scharmbeck
wohnhaft in Osterholz-Scharmbeck

Deportation:
ab Hamburg
18. November 1941, Minsk, Ghetto

Todesdatum:
28. Juli 1942, Minsk, Ghetto

Corona-Warn-App

Corona-Warn-App Logo
Quelle: RKI
Die Corona-Warn-App der Bundesregierung und des RKI ist seit dem 16. Juni 2020 verfügbar und wurde innerhalb von drei Tagen knapp 10 Mio. mal heruntergeladen. Detaillierte Informationen zur App gibt es auf der Projekt-Homepage und den einschlägigen Seiten der Bundesregierung, des RKI und bei Wikipedia.

Auch wenn der tatsächliche Nutzen der App erst in einigen Monaten bewertet werden kann, ist sie berechtigterweise mit großen Hoffnungen verbunden. Im Idealfall wird sie dazu beitragen, die Infektionszahlen auch in Zeiten zunehmender Kontakte so gering wie möglich zu halten. Gerade uns Beschäftigten im Gesundheitswesen kann sie dabei helfen, besonders gefährdete Menschen zu schützen, indem wir Infektionen frühzeitig erkennen und weitere Übertragungen vermeiden.

Funktion Corona-Warn-App
Quelle: RKI

Die Installation der App ist und bleibt ebenso freiwillig wie deren Nutzung. Die App überträgt keine personenbezogenen Daten und keine Standortdaten. Sowohl die Risikoermittlung als auch die Meldung eines positiven Corona-Befundes an die App müssen vom Nutzer ausdrücklich aktiviert werden.

Was heißt „Niedriges Risiko“

Meldung Niedriges Risiko
Der Status Niedriges Risiko bedeutet nicht, dass das Infektionsrisiko in diesem Moment gering ist. Er sagt lediglich aus, dass in den letzten 14 Tagen kein „riskanter“ Kontakt (grob gesagt: länger als 15 Minuten weniger als 1.5-2.0 m Abstand) mit einem anderen Handy bestand, dessen Besitzerin oder Besitzer positiv getestet wurde und dies auch in der App registriert hat.

Keine Berücksichtigung finden dabei Kontakte mit Menschen ohne Handy oder solchen, die die App nicht nutzen. Ebensowenig solche mit Menschen, die gar nicht getestet wurden, sei es wegen fehlender Symptome oder aus anderen Gründen.

Auch mit grün unterlegtem „Niedrigrisiko-Status“ heißt es also weiterhin wachsam sein: Abstand wahren, Mund-Nasen-Schutz in Risikosituationen, bei einschlägigen Symptomen an Covid-19 denken!

Was bedeutet „Erhöhtes Risiko“

Meldung Erhöhtes Risiko
Quelle: RKI
Die Meldung Erhöhtes Risiko sagt erstmal nur aus, dass ein „epidemiologisch relevanter“ Kontakt zu einer positiv getesteten Person bestanden haben kann. Aus Datenschutzgründen erfährt man nur das Datum dieses Kontaktes, dessen Bewertung somit nicht immer einfach ist. Die App weiß zum Beispiel nicht, ob Mund-Nasen-Schutz, FFP2-Masken oder Trennwände im Einsatz waren. Wie also damit umgehen?

Wer durch die App gewarnt wird, sollte Begegnungen vermeiden und – wenn möglich – nach Hause gehen. Per Telefon sollte dann mit Hausärztin oder Hausarzt oder dem ärztlichen Bereitschaftsdienst (Tel. 116 117) oder dem zuständigen Gesundheitsamt (für den LK Osterholz Tel. 04791 930 2900) über das weitere Vorgehen beraten werden.

Über eine Krankschreibung entscheidet der behandelnde Arzt, über die Anordnung von häuslicher Quarantäne das zuständige Gesundheitsamt jeweils nach eigener Einschätzung. Wer positiv auf Corona getestet wird, kann eine Krankschreibung erhalten und hat Anspruch auf Lohnfortzahlung. Wenn das Gesundheitsamt Quarantäne anordnet, zahlt der Arbeitgeber das Gehalt weiter und wird dafür vom Gesundheitsamt entschädigt.

Fotogalerie: Ahrensfelde

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Corona-Infektionswege in Japan

Furuse Y et al.: Clusters of coronavirus disease in communities, Japan, January–April 2020. Emerg Infect Dis. 2020 Sep.
doi: https://doi.org/10.3201/eid2609.202272

Y. Furuse vom Institute for Frontier Life and Medical Sciences and Hakubi Center for Advanced Research der Uni Kyoto in Japan und Co-Autoren haben 3.184 Fälle Coronavirus-Infektion in Japan analysiert und dabei 61 Cluster identifiziert, die ihren Ausgang in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, Restaurants und Bars, Arbeitsstätten und bei Musikveranstaltungen genommen haben. Sie haben dabei 22 mutmaßliche Ursprungspatienten identifiziert, die mehrheitlich 20–39 Jahre alt und zum Zeitpunkt der Virusübertragung prä- oder asymptomatisch waren.

Wer ist Corona-Risikopatient?

Viele Menschen inkl. Ärztinnen und Ärzte sind verunsichert, wer im Hinblick auf das neuen Corona-Virus als Risikopatient zu gelten hat. Die Datenlage dazu ist auch noch im Fluss, sehr hilfreich ist jetzt eine neue Studie aus unserem Nachbarland Dänemark:

heatmap covid-19-mortality
Sterberisiko für Covid-19-Patienten in %
Die für skandinavische Länder typische Vollständigkeit der erhobenen Daten und die mit Deutschland vergleichbaren Begleitumstände machen diese Studie zur bislang besten Grundlage, um das Risiko für einen tödlichen Verlauf einer Corona-Infektion abschätzen zu können. Eine aus den Studiendaten generierte Heatmap zeigt fast auf den ersten Blick recht deutlich, wer im Falle einer Infektion mit einem sehr niedrigen, einem mittleren oder gar einem hohen Sterberisiko rechnen muss.
„Wer ist Corona-Risikopatient?“ weiterlesen

Coronavirus in Dänemark

Reilev M et al.: Characteristics and predictors of hospitalization and death in the first 9,519 cases with a positive RT-PCR test for SARS-CoV-2 in Denmark: A nationwide cohort. medRxiv 26.05.2020 (Preprint)
doi: https://doi.org/10.1101/2020.05.24.20111823

mortality heatmap Covid-19
Mortality-Heatmap (Quelle: Reilev et al. s.o.)
Die Autoren haben die Daten aller 228.677 Dänen aufgearbeitet, die sich vom 27.02. bis zum 30.04. einem Test auf SARS-Cov-2 unterzogen haben.

9.519 Fälle waren SARS-CoV-2-PCR-positiv, davon wurden 78 % ambulant und 22 % im Krankenhaus behandelt, 3.2 % auf einer Intensivstation. 5.5 % sind innerhalb von 30 Tagen verstorben. Das Durchschnittsalter der ambulanten Fälle lag bei 45 Jahren (Interquartilbereich IQR 31-57), der Verstorbenen bei 82 Jahren (IQR 75-89). Das Alter war ein starker Prädiktor für tödlichen Ausgang (Odds Ratio OR 14 für 70-79-Jährige, OR 26 für 80-89-Jährige und OR 82 für Fälle über 90 Jahre im Vergleich zu 50-59- Jährige, angepasst an Geschlecht und Anzahl der Komorbiditäten). Auch die Anzahl der Komorbiditäten war stark mit einem tödlichen Ausgang assoziiert (OR 5.2 für Fälle mit ≥4 Komorbiditäten gegenüber keinen Komorbiditäten). 82 % der Verstorbenen hatten mindestens 2 Komorbiditäten. Viele schwerwiegende chronische Erkrankungen erwiesen sich als Prädiktoren für Krankenhausaufnahme (OR 1.3-1.4 für z. B. Schlaganfall, ischämische Herzerkrankung bis 2.2-2.7 für z. B. Herzinsuffizienz, im Krankenhaus diagnostizierte Nierenerkrankung, chronische Lebererkrankung) und Mortalität (OR 1.2-1.3 für z. B. ischämische Herzkrankheit, Hypertonie bis 2.4-2.7 für z. B. schwere psychiatrische Störung, Organtransplantation). Ohne Komorbiditäten war die Mortalität bei bis zu 80-Jährigen relativ niedrig (5% oder weniger).
„Coronavirus in Dänemark“ weiterlesen

Blutgruppen-Unterschiede beim Covid-Risiko

Ellinghaus D et al.: The ABO blood group locus and a chromosome 3 gene cluster associate with SARS-CoV-2 respiratory failure in an Italian-Spanish genome-wide association analysis. Preprint auf medRxiv.org 02.06.2020 (Peer-Review steht aus)
doi: https://doi.org/10.1101/2020.05.31.20114991

Zahlreiche Autoren u. a. von der Molekularbiologie Uni Kiel. Erster robuster Nachweis einer genetisch bedingten Anfälligkeit für Lungenversagen bei Covid-19, lokalisiert u. a. an dem Ort unserer DNA (9q34), der die AB0-Blutgruppen kodiert. Blutgruppe A scheint mit einem 45 % höheren und Blutgruppe 0 mit einem 35 % geringeren Risiko für einen schweren Covid-Verlauf assoziiert zu sein. Daten stammen aus sieben Zentren in Italien (835 Patienten) und Spanien (775 Patienten).
„Blutgruppen-Unterschiede beim Covid-Risiko“ weiterlesen

Triage vor Schwedens Intensivstationen

Mehrfach schon wurde behauptet, vielen älteren Schweden würde in der Corona-Pandemie intensivmedizinische Behandlung vorenthalten. Anfang Mai haben Christian Baars, Elena Kuch und Oda Lambrecht für den NDR zu diesem Thema recherchiert und von offizieller schwedischer Seite sehr strikte Dementi erhalten.(1) Es gäbe zwar Notfallpläne, Patienten im Alter von über 80 Jahren oder mit bestimmten Vorerkrankungen im Falle einer System-Überlastung nicht intensivmedizinisch zu betreuen, diese seien aber wegen ausreichender Intensivkapazitäten nicht angewandt worden. Der im Vergleich auffallend geringe Anteil älterer Intensivpatienten in Schweden sei möglicherweise auf häufiger geführte Diskussionen über Ethik und Sinnlosigkeit zurückzuführen, die dort vor Einleitung einer Intensivbehandlung geführt würden. Diese Aussage des Vorsitzenden des schwedischen Intensivregisters Johnny Hillgren interessierte mich brennend, standen diese ethischen Fragen doch auch in Deutschland in vermutlich allen unseren Kliniken viele Wochen im Fokus der Diskussion.

Ich wollte es also möglichst genau wissen: Was machen die schwedischen Kollegen auf ihren Intensivstationen anders und auf welcher Grundlage treffen sie ihre Entscheidungen? Ich schaute mir im ersten Schritt die Altersverteilung in der Swedish Intensive Care Registry (SIR) an, die solche Analysen in übrigens weltweit einmaliger Transparenz gestattet. Betrachtet man dort Monat für Monat die Patientenzahlen in den Altersgruppen, kommt man allerdings zu einem ernüchternden Ergebnis:
„Triage vor Schwedens Intensivstationen“ weiterlesen

Risiko-Score für Critical Illness bei Covid-19

Liang W et al.: Development and Validation of a Clinical Risk Score to Predict the Occurrence of Critical Illness in Hospitalized Patients With COVID-19. JAMA Intern Med. Published online May 12, 2020.
doi:10.1001/jamainternmed.2020.2033

Chinesische Forscher der China Medical Treatment Expert Group for COVID-19 haben anhand der Daten von 1590 Covid-19-Patienten (mittleres Alter 48.9 Jahre, 57.3 % männlich) 10 von insgesamt 72 untersuchten Parametern zum Zeitpunkt der Aufnahme im Krankenhaus als unabhängige prädiktive Faktoren für eine schweren Verlauf (definiert als: Aufnahme auf einer Intensivstation oder künstliche Beatmung oder Tod) identifiziert. Diese unabhängigen Prädiktoren waren:

  1. Abnormes Thorax-Röntgenbild (OR 3.39; 95% CI 2.14-5.38)
  2. Alter (OR 1.03; 95% CI 1.01-1.05)
  3. Hämoptysen (OR 4.53; 95% CI 1.36-15.15)
  4. Dyspnoe (OR 1.88; 95% CI 1.18-3.01)
  5. Bewusstlosigkeit (OR 4.71; 95% CI 1.39-15.98)
  6. Anzahl der Begleiterkrankungen (OR 1.60; 95% CI 1.27-2.00)
  7. Krebs-Anamnese (OR 4.07; 95% CI 1.23-13.43)
  8. Neutrophilen/Lymphozyten-Quotient (OR 1.06; 95% CI 1.02-1.10)
  9. LDH (OR 1.002; 95% CI 1.001-1.004)
  10. Direktes Bilirubin (OR 1.15; 95% CI 1.06-1.24).

Aus diesen Parametern wurde ein Risiko-Score entwickelt, der mit einem frei zugänglichen Online-Rechner (http://118.126.104.170/) ermittelt werden kann. Die Area under the Curve (AUC) als Maß für die Vorhersage-Korrektheit lag sowohl in der Primär- und auch in der Validierungskohorte bei 0.88 (1.0 würde bedeuten, dass alle Vorhersagen korrekt sind).

Online-Rechner
Beispiel-Berechnung mit dem Online-Rechner des Guangzhou Institute of Respiratory Health

Verlorene Lebensjahre durch Covid-19

Hanlon P et al.: COVID-19 – exploring the implications of long-term condition type and extent of multimorbidity on years of life lost: a modelling study [version 1; peer review: awaiting peer review] Wellcome Open Research 2020, 5 :75
doi.org/10.12688/wellcomeopenres.15849.1

Schottische Epidemiologen haben anhand der WHO-Sterbetafeln berechnet, dass die in Italien an Covid-19 Verstorbenen 12 (Frauen) bis 14 (Männer) Lebensjahre verloren haben (YLL = years of life lost). Nach Korrektur um die dokumentierten Vorerkrankungen (LTC = long-term conditions) verbleiben noch 11 Jahre bei Frauen und 13 Jahre bei Männern. Die verlorenen Lebensjahre hängen stark von Art und Anzahl der Vorerkrankungen ab: ≥80-Jährige verloren mehr als 10 Jahre, wenn sie keine Vorerkrankungen hatten, und weniger als 3 Jahre bei mehr als 6 Vorerkrankungen.
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Übertragung des neuen Coronavirus in Shenzhen

Bi Q et. al.: Epidemiology and transmission of COVID-19 in 391 cases and 1286 of their close contacts in Shenzhen, China: a retrospective cohort study. Lancet Infect Dis 2020: online 27.04.2020, korrigiert 05.05.2020.
doi.org/10.1016/ S1473-3099(20)30287-5

Ende April hat eine Forschergruppe von der Johns Hopkins School of Public Health und aus Shenzhen wichtige Daten zur Infektions-Überwachung (Surveillance) veröffentlicht. Dafür haben sie Daten des Shenzhen Center for Disease Control über die ersten dort diagnostizierten 391 Covid-Fälle und deren 1.286 engere Kontaktpersonen ausgewertet. Als engerer Kontakt galten gleicher Haushalt, gemeinsame Mahlzeit oder sozialer Kontakt mit einem Index-Patienten in den zwei Tagen vor Symptombeginn.

Die Studie vergleicht die symptombasierte Surveillance (Corona-Test nur bei Symptomen) mit der kontaktbasierten Surveillance (Corona-Test bei allen engeren Kontakten unabhängig von Symptomen). Symptombasierte Surveillance erfolgte an Flughäfen und Bahnhöfen, bei Krankenhausaufnahme oder durch Haus-zu-Haus-Fiebermessungen. Kontaktbasierte Surveillance betraf alle engeren Kontaktpersonen der Covid-Fälle.
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Heinsberg-Studie

Die „Heinsberg-Studie“ ist raus. Sechs Wochen nach dem dortigen Corona-Ausbruch haben der Bonner Virologe Streeck und sein Forscherteam in Gangelt (Landkreis Heinsberg) 600 zufällig aus dem Melderegister ausgewählte Einwohner angeschrieben und gemeinsam mit allen in deren Haushalt lebenden Personen zu einer Studie eingeladen, um Daten über die Infektionshäufigkeit und die Sterblichkeit von SARS-CoV-2 zu erhalten.

Von den 1.007 Rückmeldungen aus 405 Haushalten konnte der Infektionsstatus bei 919 Personen anhand von Abstrichen und Blutuntersuchungen auf Antikörper ermittelt werden. Die Daten wurden in der Woche vom 30. März bis zum 6. April erhoben und am 4. Mai 2020 vorab veröffentlicht: Streeck H et al.: Infection fatality rate of SARS-CoV-2 infection in a German community with a super-spreading event. In meinen Augen sind die Ergebnisse in mehrerlei Hinsicht sehr interessant:
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Ist Covid-19 harmlos?

Nach vielen Wochen mit Kontaktbeschränkung und Ladenschließungen sprießen in den sozialen Medien derzeit wieder die Hobby-Epidemiologen der „Ist-doch-alles-gar-nicht-so-schlimm“-Fraktion: Covid-19 sei doch eher harmlos, treffe ja fast nur die Alten oder jene mit Vorerkrankungen und sei eh‘ schon so gut wie vorbei. Manche dieser Einlassungen sind offenkundig interessengesteuert, sei es mit Blick auf den eigenen Betrieb, die nächste Wahl oder die erträumte Medienaufmerksamkeit. Manche entspringen auch der Bill-Gates-Impfmafia-dunkle-Mächte-Verschwörungslobby. In den letzten Tagen lese ich solcherlei Oberflächlichkeiten aber auch von Menschen im Bekanntenkreis, denen ich das eigentlich nicht zugetraut hätte. Ich kann nur hoffen, dass dies mangelnder Information geschuldet ist und habe mir deswegen vorgenommen, hier ein wenig behilflich zu sein.

Covid-19 in New York

Eines der Epizentren der Corona-Pandemie war New York City mit seinen gut 8 Mio. Einwohnern. Zwischen dem 21. März und 30. April starben dort mehr als 18.000 Menschen mit nachgewiesener SARS-Cov-2-Infektion, das sind 218 pro 100.000 Einwohner. Wie in anderen Ländern war die Sterblichkeit bei älteren Menschen besonders hoch: 38 % der Toten waren 80 Jahre oder älter, immerhin aber 15 % jünger als 50 Jahre.

Frage 1: Ist Covid-19 also harmlos oder doch eher dramatisch?
Frage 2: Ist die Altersverteilung eine Besonderheit von Covid-19?

Bei der Bewertung dieser Zahlen mag einem medizinischen Laien vielleicht ein Vergleich mit einer anderen besser bekannten Krankheit weiterhelfen:

Covid-Tote New York
21.03.-30.04.2020 (6 Wochen)
(c) J. Heuser (Daten von www.syracuse.com, abgerufen 01.05.2020)
Herzinfarkt-Tote Deutschland 2017
2017 (1 Jahr)
(c) J. Heuser (Daten von www.destatis.de, abgerufen 01.05.2020)

Herzinfarkt in Deutschland

Ich wähle zum Vergleich den akuten Herzinfarkt, weil er gemeinhin als eher gefährlich wahrgenommen wird. In Deutschland sind 2017 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp 50.000 Menschen an einem Herzinfarkt verstorben, das waren 57 pro 100.000 Einwohner.

Die Altersverteilung ist der bei Covid-19 nicht unähnlich, allerdings beträgt der Anteil über 80-Jähriger hier sogar 51 % und jener der unter 50-Jährigen nur 10 %. Mehr als 90 % der Infarktpatienten haben Risikofaktoren, wenn man ein Alter >60 J. dazuzählt.

Resümee

  • Wenn (pro 100.000 Einw.) in nur sechs Wochen in New York 4-mal so viele Menschen an Covid-19 sterben wie in Deutschland in einem ganzen Jahr am Herzinfarkt, dann ist es ohne Zweifel eine relevante und lebensgefährliche Krankheit.
  • Weder die Altersverteilung noch das Vorhandensein von Risikofaktoren bei den Opfern unterscheidet Covid-19 nennenswert von beispielsweise dem akuten Herzinfarkt.
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