Buch: Ein Ausflug ins Teufelsmoor

Ein Ausflug in’s Teufelsmoor.
Von J. G. Kohl.
aus Die Gartenlaube (1863). Leipzig. Ernst Keil, Seite 460-64
zitiert nach Wikisource

„Mit dem Namen „Teufelsmoor“ bezeichnen die Geographen auf unsern Landkarten einen beinahe acht Quadratmeilen großen Moorstrich, der ungefähr die Mitte des Herzogthums Bremen ausfüllt und ehemals eine zusammenhängende Wildniß gebildet haben mag, jetzt aber durch die eingedrungene Cultur und die ihm nun einverleibten Dorfschaften und Ackerfluren in eine Menge einzelner Moorstriche zerlegt ist, deren jede ihren besonderen Namen trägt.

Im Lande selbst wird der Name „Teufelsmoor“ (oder Düvelsmoor) kaum mehr in dem weiten Sinn, in welchem er auf den Landkarten erscheint, gebraucht. Vielmehr hört man die Leute nur immer von dem „Wallhofer Moor“, dem „Gieler Moor“, dem „Wilster Moor“, dem „Gnarrenburger Moor“ und den andern kleinen Moorabschnitten sprechen. Es geht bekanntlich in der Welt überall so, daß die großen, weltumfassenden geographischen Namen nur in der Ferne bekannt sind, während an Ort und Stelle Localbenennungen gelten. Der Name „Düvels-Moor“ ist jetzt im Lande selbst nur noch einem Dorfe, das ungefähr in der Mitte der ganzen Moorgegend liegt, eigen geblieben.

Am Eingange zum Teufelsmoor im Thale der Hamme, eines Flusses, der in die Weser mündet, liegt ein keines Sandgebirge, der sogenannte „Weiherberg“, den aber das Volk kurzweg „Up’r Wehe“ (Auf der Wehe) nennt. Der höchste Gipfel dieser Düne soll 350 Fuß über dem Meeresspiegel liegen. Es ist die höchste Anhöhe weit und breit, und sie ist im morastigen Herzogthume Bremen so berühmt, wie der Blocksberg in Norddeutschland. Die Mythe sagt, daß ein „Hüne“, den Sand verstreuend, im Lande umhergewandelt sei, und jene Düne am Eingange des Moores aufgebaut habe, wie der griechische Hercules seine berühmten Felsensäulen am Thore des mittelländischen Meeres.
Die Abhänge und sanftgewölbten Rücken dieses kleinen Sandgebirges sind in das Gewand eines schönen, reichen Kornfeldes gehüllt, auf dem unangebauten Gipfel wurzelt ein kleiner Fichtenwald, in dessen Mitte sich eine Pyramide aus Granitsteinen, ein Monument für den größten Wohlthäter des Teufelsmoors, erhebt. Sie ist dem Andenken des wohlbekannten Herrn Findorff gewidmet, der im vorigen Jahrhundert zuerst mit Nachdruck und Erfolg die dem bösen Geist gewidmete Wildniß bekämpfte, in dem wüsten Bezirke die lieblichsten Oasen voll wohlhabender Dörfer und lachender Feldmarken schuf, und, ein zweiter „Hüne“ oder Hercules der Neuzeit, diesen Augiasstall, wenn auch nicht völlig, doch in verschiedenen Richtungen ordnete und ausputzte.

Von diesem hochgelegenen Monumente aus, das ich an einem schönen, hellen Juliabende bestieg, konnte ich die ganze interessante Gegend, die ich am folgenden Morgen durchpilgern wollte, weit hin überschauen. Die Niederung, in welcher das Teufelsmoor aufgewachsen ist, läßt sich als eine mehrere Meilen breite Kluft zwischen zwei Haide- oder Geestrücken bezeichnen, deren Ränder ich von meinem Standpunkte aus sowohl im Osten, als im Westen, wie eine Reihe niedriger Hügel sich hinziehen sah. Auf diesen Hügeln und so auch auf dem breiten Landrücken , dessen Ränder sie sind, giebt es kein Moor. Dagegen ist der ganze Zwischenraum damit angefüllt. Der „Weiherberg“, der, wie gesagt, wie eine Art Riegel vor dem Eingange des Thales oder Kessels liegt, trug vielleicht selbst dazu bei, in dieser Mulde die trägen Gewässer aufzustauen und den Morast zu veranlassen. Jahrhunderte lang schlugen sich aus dem stockenden Wasser die Binsen, Riedgräser, Sphagnen und andere saure Sumpfpflanzen nieder, vermoderten und verweseten unvollkommen, häuften sich aufeinander, schwängerten sich mit allerlei vegetabilischen Auslaugungen und füllten so den ganzen Thalkessel mit einer 10 bis 20 Fuß dicken schwammigen, schwarzen Torfmoorschicht, einem „Hochmoor“.

Die Flüsse haben sich nachher durch diesen schwarzen, dickflüssigen Suppenbrei wieder Wege und Canäle ausgebahnt, haben zu beiden Seiten den Torf eine englische Meile weit weggerissen und in solchen schwimmenden Stücken, wie sie kurz nach Christi Geburt Plinius in der Weser treiben sah, in’s Meer hinausgeführt. Dadurch sind mitten in der Moorgegend breite bis auf den Untergrund ausgeschnittene Rillen entstanden, die jetzt mit Gräsern und Schilfen bestanden sind, und welche die Leute im Gegensatz zu dem braunen Hochmoore „das Grönland“ (das grüne Land) nennen. Diese grünen, langgestreckten Schilf- und Grasniederungen, durch die sich viele Canäle und Flußarme ziehen, sind an dem Hauptflusse des Teufelmoores, der Hamme, wohl eine Stunde breit. Ich konnte sie vom Weiherberge aus wie grüne tief eingelegte Bänder weithin verfolgen. Zu beiden Seiten derselben erhebt sich das Hochmoor mit ödem Scheitel und vom Grabscheit des Menschen vielfach zernagt und zerarbeitet. Seine braunen melancholischen Flächen erstreckten sich vor meinen Augen weitin und verloren sich nach Bremervörde und den Elbgegenden zu im Nebel des Horizonts. Und als dritte Landesabstufung erhoben sich dann, wie schon gesagt, zu beiden Seiten des nackten Hochmoores, jene noch etwas höheren, hügligen und sandigen Geestränder, hie und da besetzt mit kleinen Hainen und Gehölzen, die aber mir jetzt nur wie grüne Flecken auf dem gelben Sanduntergrunde erschienen.

Von meinem Hügel, an dessen Abhange ich in einem kleinen Dorf-Hotel übernachtete, machte ich mich am andern Morgen in Begleitung eines der Wege kundigen Eingeborenen in besagtes Labyrinth von grünen, gelben, schwarzen Landparzellen und schimmernden Wasserstreifen hinaus, um mir die Sache mehr in der Nähe anzusehen. Eine Zeit lang verschaffte uns noch der von den Weiherdünen aus im Lande verbreitete Sand trockene Füße und Wege. Bald aber kamen wir in das wässerige „Grünland“ hinab und waren dann genöthigt, uns nach einem Schiffe umzusehen. Wie in Nordamerika alle Ansiedelung mit einer Eisenbahn, so fängt hier in diesen Mooren aller Anbau, jedes Dorf mit einem Canale an. Ein Canal muß vor allen Dingen zuerst von dem Hauptflusse aus in den Busen des Moores hineingeschnitten werden. Er giebt den Zusammenhang mit der übrigen Welt. Auf ihm wird es möglich, den zu beiden Seiten abgeschnittenen Torf zu versenden und zu verwerthen und dadurch dem Colonisten eine Existenz zu verschaffen. Anfänglich ist die ganze Ansiedelung nichts als so zu sagen ein Torfbergwerk, zu dem der Canal den Hauptschacht abgiebt. Je mehr dieses Bergwerk vorwärts und zu den Seiten sich in die Masse einfrißt und den Torf bis auf den Unterboden abarbeitet, desto mehr Wiesen und Ackerfelder kommen an den Tag, und desto reicher und blühender wird das Dorf.

Wir erreichten einen solchen Canal, an dessen Ufern schon viele Ansiedler saßen, überredeten einen derselben, der eben daran wollte, sich zu rasiren, diese Operation zu verschieben, sogar auch seinen anderthalb Zoll dicken Buchweizenkuchen, der schon in der Pfanne zum Imbiß für ihn schmorte, im Stiche zu lassen und sofort mit uns in’s Schiff zu springen, um uns dem auf der andern Seite des „Grünlandes“ liegenden Orte Teufelsmoor zuzuführen. Wir fuhren eine Stunde lang aus einem Canale in den andern durch verschiedene Flußarme, lauter kaffeebraune Gewässer ohne Sand und Grand, ohne die von den Dichtern besungenen Bachkiesel, auf lauter Moorgrund fließend, wie sie hier in dem Teufelsmoor nicht anders üblich sind, und durch dichte Gras-, Ried- und Schilfwälder, unter denen überall der braune Spiegel der Moorwasser-Ueberschwemmung hervorschimmerte, und bekamen so endlich das besagte am Rande des Hochmoores gelegene Dorf in Sicht.
Es bot uns Heranschiffenden eine gar anmuthige Front dar, schöne, weitläufige Gehöfte und von Wohlhäbigkeit schimmernde Bauernhäuser unter dem Schatten eines Eichenhaines und mit künstlich geschaffenen Wiesengründen, die zu unseren Grünlandsümpfen hinabfielen und mit Geflügel und Vieh bedeckt waren. Es waren die Besitzungen einiger der ältesten und daher reichsten Colonisten.

Das Land pflegte bei dem Beginne solcher Moorcolonien billig zu sein und als Lockspeise freigebig verschenkt zu werden. Die ersten Anbauer schnitten sich aus dem wüsten Hochmoore die Morgen bei Hunderten heraus. Sie waren trotzdem nicht reich, aber ihre Nachkommen wurden es, da allmählich Alles zugänglicher, besser genutzt und höher verwerthet wurde. Die großen Grundbesitzer konnten zuletzt mit ihren Knechten nicht alle Arbeit, für die sich Aussicht eröffnete, mehr leisten. Sie siedelten daher auf ihren weitläufigen Ländereien Hintersassen oder sogenannte „Achtermeier“ an, die ihnen dafür 12 Tage im Jahre, – d. h. eben so viel Tage, als der Bauer dem Edelmann in der Moldau frohnt, – arbeiten mußten. Und die anfänglich so dürftig sich durchbringenden Torfcolonisten saßen daher am Ende wie vornehme Lehnsherren auf ihren Gehöften.

Die Dinge, nachdem sie einmal in Gang gekommen waren, schritten am Ende so schnell fort, daß jetzt auch schon jene „Achtermeier“ wieder reich und unabhängig geworden sind. Ja sie sind nun sogar bereits mehr eine Last, als eine Hülfe für ihre bäurischen Lehnsherren. Die Verhältnisse haben sich so rasch verändert, daß, was vor 50 Jahren sehr vortheilhaft erschien, jetzt höchst onerös geworden ist. Damals z. B. bekamen die Achtermeier die Erlaubniß, eine Anzahl Kühe auf ihres Lehnsherrn Weide zu treiben und dafür einen Thaler per Kuh zu entrichten. Jetzt aber sind die Weiden und Viehzuchtproducte so werthvoll geworden, daß dieser stipulirte Thaler per Kopf um das Zehnfache hinter dem, was man heutzutage fordern würde, zurückbleibt und natürlich den Grundherrn drückt.

Wir besahen uns einige dieser schönen reichen Gehöfte, die aus dem unwirthlichen Schooße des Moores hervorgewachsen sind, und setzten dann unsere Reise durch das sogenannte „Niederende“ und „Oberende“ fort. Dies sind die Benennungen der beiden Hauptabtheilungen der weitläufigen Colonie, und die Prediger dieser Gegend pflegen, wenn sie auf der Kanzel das Teufelsmoor zu erwähnen haben, diesen unchristlichen Namen ganz zu umgehen. Sie nehmen das Wort nicht in den Mund und bezeichnen ihre Leute nur als „die vom Niederende“ und „die vom Oberende“. Die Regierung und ihre weltlichen Behörden geniren sich dagegen in dieser Beziehung nicht und gebrauchen in ihren officiellen Erlassen den hergebrachten Namen. Das Volk hat diesen Namen sogar noch weiter hin benutzt und unter andern das Wort „de Düvelsmöörschen“ daraus abgeleitet, mit welchem in der That schreckhaften Namen die Einwohner der Gegend selber bezeichnet werden.
Hinter dem sogenannten „Oberende“ der Düvelsmöörschen kamen wir auf einen Abschnitt des noch fast völlig uncultivirten und wilden Hochmoores hinaus. Es war das sogenannte Wallhöfer Moor, das sich drei Stunden weit wie ein wüstes Plateau vor uns ausdehnte. Obgleich wir mitten in der schönsten Jahreszeit dort waren, in der Alles umher, was nicht Moor war, grünte und blühte, und in der alle Gebüsche vom Gesange der Vögel erklangen, so war doch auf diesem Plateau Alles todt und öde, als wäre es der tiefste Winter.

Vögel giebt es da nicht, weil kein Gebüsch und keine Gelegenheit zum Nesterbau vorhanden ist. Keine Lerche jubelt in den Lüften. Selbst Fuchs und Hase können in diesen Sümpfen nicht wohnen und leben. Obgleich die Sonne lieblich strahlte, stolperten wir in Wasserstiefeln auf tiefen schmutzigen Morastwegen wie im trüben November. Die Oberfläche war überall mit verschiedenen Sorten schmieriger und schwammiger Moose bewachsen. Wir konnten uns einbilden, es wäre ein riesiger verfaulter, auf der Erde hingestreckter Baumstamm, auf dessen todter Rinde wir wie kleine Käfer kröchen.

Obgleich man im Grunde genommen sich auf dem Rücken einer Niederung befindet, so hat man doch den Eindruck, als wandele man auf einer hoch erhabenen Anhöhe. Solche Oeden sahst Du zuvor nur an den Enden und Gipfeln der Erde, auf dem Rücken der Hochgebirge und dicht unter dem Wolkenschleier. Auch mag der weite Blick, der sich über die unbegrenzte Fläche eröffnet, dazu beitragen, diese Illusion zu unterstützen. Sie wird dadurch noch vollkommenet, daß die Leute auch den Rücken dieses Hochmoores mit einer Anzahl armseliger Hütten bedeckt haben, die an die Sennhütten der Schweizer Alpenhöhen erinnern.

Wie in der Schweiz die Hirten auf „die Alm,“ so ziehen hier im Teufelsmoor im Frühling die Torfarbeiter auf’s Hochmoor, um ihren Torf zu ernten. Aus Strauchwerk und Torferde bauen sie sich temporäre Wohnungen, die das Primitivste von menschlichen Wohnungen sind, was man sehen kann, und in der Dürftigkeit ihrer Ausstattung noch unter den Sennhütten stehen. „De Huttens“, so nennen sie diese Sommerwohnungen des Hochmoores, sehen aus, wie alte vermooste Strohdächer, die man vom Hause abhob und auf den Boden stellte. Die Leute beziehen sie schon ganz früh im Frühling am Ende April oder Anfang Mai, wo ihre Torfarbeiten beginnen. Es sind die ärmeren Bewohner entlegener Dörfer, die wenig eigenen Grundbesitz haben, und die den großen Grundeigenthümern kleine Abschnitte des Moores abpachten oder abkaufen und diese dann für sich ausbeuten.

Da im Moore nichts Eßbares wächst, ja nicht einmal ein trinkbares Wasser träufelt, so müssen sie sich ihre Lebensmittel mitbringen, und diese sind besonders im Verhältniß zu der schweren Arbeit unsolide genug. Ihre Frauen gießen ihnen zu Hause die im Laufe der Woche gewonnene Buttermilch in ein Faß, backen Schwarzbrod dazu und verproviantiren damit ihre Männer auf dem Hochmoore. Die Buttermilch, wie man sich denken kann, macht allerlei Gährprocesse durch, sprengt zuweilen wie Champagner die Gefäße, und muß doch zum Frühstück wie zum Abendessen getrunken werden und auch zu Mittag statt der Suppe gelten.

Diese Hüttenwirthschaft in den Hochmooren scheint so trost- und freudlos, wie der Anblick der Hochmoore selbst. Von Festen und von irgend einer Art von Naturfeier unter den Leuten habe ich bei den Bewohnern der „Huttens“ nicht gehört. – Auch hat dasselbe kein Zweiglein eigenthümlicher Literatur oder Volkspoesie erzeugt, wie das Sennenleben in den Alpen. Die Beschäftigung der Leute ist so schwer, so einförmig und so unappetitlich, wie die Sclavenarbeit der Neger in den Diamantenwäschen Brasiliens.

Den ganzen Tag bewegen sie sich schleichend und mühselig im kalten schwarzen Sumpfe. Da stehen sie auf plumpen schwerfälligen Holzschuhen postirt in tief ausgehöhlten Gräben, in denen sie die träufelnden Morastschollen lösen, um sie 10 oder 12 Fuß hoch auf die Oberfläche hinaufzuschwingen. Oben fangen ihre Helfershelfer die übelriechenden Moderbrocken mit eisernen Gabeln auf und packen sie auf Schiebkarren, um sie zu einem geebneten Platze zu transportiren, auf dem sie weiter verarbeitet und geformt werden sollen. Die Räder der Karren sind dabei, um das Einsinken zu vermeiden, mit dichtem Strohgeflechte umwunden, und zuweilen die Füße der Arbeiter desgleichen.
Auf dem „Lagerplatze“ wird der ganze Brei gleichmäßig ausgebreitet, und hier beginnt dann das „Petten“ (das Treten). – Der Torf, wenigstens die beste Sorte desselben, der sogenannte „Backtorf“, muß wie das Brod geknetet oder wie die Trauben gekeltert werden. Die armen Düvelsmöörschen gebehrden sich dabei, wie die Traubenfaßtreter am Rhein. – Stunden lang treten und tanzen sie mit bloßen Füßen in dem Teige herum, um ihm größere Compactheit und gleichmäßige Dichkgkeit mitzutheilen. Es ist der schwerste Theil ihrer schwierigen Arbeit.
Zuweilen trifft es sich, daß noch im Mai starke Nachtfröste eintreten und dabei der ganze Brei sich mit einer Eiskruste bedeckt. Diese Kruste haben sie dann nicht selten am andern Morgen bei der Fortsetzung ihres Knetens mit den bloßen Füßen zu durchbrechen, und dabei fallen oft genug Verwundungen vor, und sicher noch öfter treten Gicht, Rheumatismus, Podagra und andere Gliederleiden ein. Man sagte mir, daß man sich bisher vergebens bemüht habe, diese Arbeit durch Maschinenkraft oder durch Thiere verrichten zu lassen, und daß nur der Mensch sie gut zu Stande bringen könne. Selbst lederne Fußüberzüge oder Stiefeln, die den Meisten ohnehin zu kostspielig sein würden, sollen dem Zwecke des Knetens hinderlich sein. Es gehört der nackte, gelenkige menschliche Fuß mit seinen fünf Zehen dazu.

Nach dem „Petten“ wird die ganze zerarbeitete Masse auf dem Lagerplatze ausgeebnet wie ein kolossaler Kuchen, einen halben preußischen Morgen groß und von der Dicke, von welcher die Torfstücke werden sollen. Mit breiten Holzschuhen springen sie nun hinauf, treten den Brei nieder und bearbeiten ihn auch noch mit Bretern und Schaufeln ganz glatt und eben. Bevor sie diese Masse in solche Stücke, wie sie gewünscht werden, von der Form und Größe unserer Ziegelsteine, zerlegen, machen sie eine Pause von ein paar Tagen, damit der Brei einige Consistenz gewinne. Diese Zwischenzeit muß je nach dem Zustande der Witterung abgemessen werden. Ist die Masse noch zu weich, so würde die Zerlegung nichts helfen. Alles würde wieder in einander verfließen. Wollte man damit aber zu lange warten, so würde der ganze Kuchen anfangen sich zu zerspalten und von langen Rissen durchsetzt werden.

Das Zerlegen geschieht in zwei Tempos. Zuerst werden Längslinien hindurchgeschnitten in einem Abstande von 9-10 Zoll, so lang jedes einzelne Torfstück werden soll, und auf diese Weise das Ganze in „Bänke“ zertheilt. Nach einer abermaligen kleinen Pause von ein paar Tagen, damit die Schnitte etwas vernarben, schreitet man dann zu den Querschnitten, die in den engeren Abständen der Breite der Torfstücke gemacht werden. Und so sind denn diese – der Form nach – fertig und können zum völligen Ab- und Austrockuen abgenommen werden.
Dies Austrocknen geschieht auch recht vorsichtig, sehr gradatim und schrittweise. Die Torflaibe sind anfänglich noch so schlaff und weich, daß man sie nicht gleich in jeder beliebigen Weise aufstellen kann. Sie müssen erst ein wenig auf die lange Kante und dicht neben einander gelegt werden, damit sie sich gegenseitig stützen, in langen sogenannten „Diken“ (Deichen). Wollte man sie gleich in hohen luftigen Pyramiden auftempeln, so würden sie Gefahr laufen, wie an der Sonne geschmolzener Käse auszulaufen und zusammenzusinken. In den „Diken“ liegen sie wieder je nach dem Wetter 8-14 Tage, bis sie, wie die Leute sich ausdrücken „kräftig“ genug werden zum „Ringeln“. Dies Ringeln besteht darin, daß man die nun schon ziemlich steifen Brocken zu kleinen runden spitzen Kegeln so übereinander legt, daß sie nur mit den Enden aufeinander fassen, und daß möglichst große Zwischenräume zwischen ihnen bleiben. Die Kegel sind inwendig hohl, und in dieser Aufstellungsweise können Licht und Luft am besten einwirken, die Törfe völlig stärken und auch innerlich austrocknen.

Das Beste thut daran der Wind, der durch die durchlöcherten Ringeln hinzieht, wie dies auch schon Plinius, wo er in seiner Historia Naturalis vom Torfmachen im nordwestlichen Deutschland spricht, sehr richtig anmerkt, indem er von den alten Chauken sagt, daß sie „die brennbare Erde ihres Landes, mit der sie ihre Speisen kochten und ihren Leib wärmten, mehr mit Hülfe der Winde als der Sonne trockneten.“ Da der Wind natürlich die Spitzen der keinen Kegel kräftiger angreift, als den Fuß, der auf dem feuchten Boden steht, und in den der Regen hinabsinkt, so wird es zuweilen nöthig gefunden, in diesen Pyramiden das Unterste zu oberst zu bringen oder, wie sie hier sagen, „umzuringeln“. Die kleinen mühsam gebauten Kegel werden umgerissen und dann so wieder aufgebaut, daß nun die bisher untersten Törfe der Wohlthat des Luftzugs, der auf die Spitzen wirk, theilhaftig werden.

Ist der Sommer, wie er es in Nordwestdeutschland oft zu sein pflegt, sehr naß, und kehren Gewitter und Regenschauer häufig wieder, so dürfen die armen geplagten Leute sich die Mühe nicht verdrießen lassen, wie Penelope ihre Arbeit zu zerstören und wieder herzustellen, ihre Pyramiden aufzubauen und einzureißen, unaufhörlich zu „ringeln“ und wieder „umzuringeln“. Ist diese Bäckerei, bei der man, wie man sieht, nicht, wie beim Brodbacken, über Nacht zum Ziele kommt, die sich vielmehr durch mehrere Monate hinschleppt, endlich gelungen, sind die Torfkuchen innerlich ganz trocken, so beeilt man sich, um die fertige Waare vor ferneren Unfällen – beim Torf heißt das vor Naßwerden – zu schützen. Wie man sie zum Trocknen immer lockerer zerstreuen und vereinzeln mußte, so geht man umgekehrt nun darauf aus, sie immer mehr zu sammeln und in größeren Massen zu vereinigen. Wie jene Zerstreuung, so kann auch diese Vereinigung nur allmählich und stufenweise geschehen. Zunächst legen sie die Brocken noch auf dem Lagerplatze selbst schnell in sogenannte „Klikken“[1] zusammen. Es sind längliche Haufen von 8-10 Fuß Länge, 3 Fuß Breite und 5-6 Fuß Höhe. In diesen „Klikken“ steht der Torf meistens einen Theil des Spätsommers, und kann darin schon manchen Regenschauer, wie es in jener Zeit zu kommen pflegt, vertragen und abschütteln. Es schadet ihm nicht viel, wenn er nur innerlich ganz durchtrocknet ist.

Ist ein fahrbarer Canal in der Nähe, so kann er auch gleich aus den Klikken in die Schiffe verladen und in die Welt verfahren werden. Sonst wird er aus den Kliken zunächst zu den Schiffsplätzen gebracht und dort in großen „Hopen“ (Haufen) aufgestapelt. So kann er nun im Herbste wohl Monate lang liegen, und der bösen October- und November-Witterung trotzen, bis man die Schifffahrt mit ihm antreten und den Markt beziehen kann. Soll die Waare durchgewintert werden, so werden dafür noch größere „Hopen“ (Haufen) gebaut, die wohl 50 kleine Schiffsladungen und mehr enthalten.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

© 2007-2023 J. Heuser - powered by Wordpress