Flechtwerkscheune in der Museumsanlage

Flechtwerkscheune Osterholz-Scharmbeck
Flechtwerkscheune in der Museumsanlage
Das ist schon eine ziemlich unheimliche Geschichte aus den Nachkriegstagen 1945, in der die mindestens 200 Jahre alte Flechtwerkscheune in der Museumsanlage eine nicht unerhebliche Nebenrolle spielt.

Unmittelbar nach Kriegsende waren viele von den Alliierten entwaffnete Soldaten auf dem Weg in ihre Heimat. Die meisten von ihnen zu Fuß, andere Transportmöglichkeiten standen kaum zur Verfügung. Hinsichtlich Verpflegung und Übernachtung waren sie unterwegs auf die Hilfe Anderer angewiesen. Einer der half, war Bauer Wohltmann in Pennigbüttel. In eben dieser Scheune, die bis 1965 auf seinem Hof an der Stubbenkuhle 38 stand, gewährte er vielen von ihnen Unterschlupf für die Nacht. Nur einer wollte partout nicht in der Scheune bei den anderen nächtigen und bat um Unterkunft im Haus. Dies wurde ihm nach Zögern gewährt. Am nächsten Morgen stand er früh auf, erkundigte sich nach dem Weg nach Stade und verschwand. Erst einige Wochen später erfuhren die Wohltmanns aus der Zeitung, um wen es sich dabei gehandelt hatte. Heinrich Himmler, einer der größten Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges, hatte sich bei ihnen unter falschem Namen Zuflucht erschlichen. (Quelle: Menkhoff)

1965 stiftete Diedrich Wohltmann die Scheune dem Museum, ihre Nebenrolle in Himmlers Fluchtkrimi findet dort heute keine Erwähnung.

Himmlers Flucht 1945

Nachdem Hitler ihn am 29. April 1945 wegen eigenmächtiger Verhandlungen mit den Westalliierten seiner Ämter enthoben hatte, machte sich Himmler mit einem Stab von anfangs 150 Personen über die sogenannte Rattenlinie Nord auf den Weg nach Flensburg. Er kam dort am 2. Mai (Quelle: Paul) oder 3. Mai (Quelle: Quelle: shz.de) Mai an und zeigte sich nach Berichten des Flensburger Sozialdemokraten und KZ-Häftlings Heinrich Lienau zunächst noch „mit voller Kriegsbemalung“ in den Straßen der Stadt. Die am Vortag gebildete Reichsregierung unter Karl Dönitz bestätigte Himmler am Abend des 3. Mai noch als Führer der Waffen-SS und Chef der deutschen Polizei, enthob ihn jedoch am Nachmittag des 6. Mai endgültig all seiner Ämter. Die Zwischenzeit hatte Himmler aber genutzt, um für sich und mehrere tausend Gesinnungsgenossen im Polizeipräsidium Flensburg falsche Personalpapiere erstellen zu lassen. Die Nächte verbrachte er auf Bauernhöfen in Ellgard, Atzbüll und Kollerup, wo er stets mit mehren Wagen, einem Dutzend Leibwächtern, seinem Adjutanten und zwei Leibärzten auftauchte.

Himmlers Fluchtweg 1945
Himmlers letzte Tage 1945
Quellen shz.de und Menkhoff - Basiskarte openstreetmap
Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai verschwanden über Nacht sämtliche SS-Uniformen aus dem Straßenbild Flensburgs. Und aus Heinrich Himmler wurde am 9. Mai der Feldwebel Heinrich Hitzinger, der sich am 11. Mai in der Uniform eines Unterscharführers der Geheimen Feldpolizei auf den Weg nach Süden machte. Zur Tarnung trug er jetzt zeitweise eine Augenklappe statt seiner Brille, übernachtet wurde jetzt in Scheunen, Bahnhöfen und im Freien.

Die Flucht führte nach Dithmarschen zum Adolf-Hitler-Koog (heute Dieksanderkoog), dessen Bewohner ihn jedoch weggeschickt haben sollen. Von Friedrichskoog brachte ihn Fischer Willi Plett am 15. oder 16. Mai mit seinem Kutter über die Elbe nach Neuhaus, pro Person sollen dafür je nach Zeugenaussage 500 bis 1000 Reichsmark gezahlt worden sein.

Zu Fuß ging die Flucht weiter, die Tage zwischen dem 15./16. und dem 21. Mai blieben lange Zeit im Dunkeln. Auch der Aufenthalt in Pennigbüttel ist erst viele Jahre später an die Öffentlichkeit gekommen. Am 21., 22. oder 23. Mai jedenfalls (widersprüchliche Angaben, vgl. Spiegel) wurde er mit zwei Begleitern in Meinstedt unweit von Bremervörde festgenommen. Dort war der schmächtige Mann mit Augenklappe und abgerissener Uniform bei einer Personenkontrolle durch befreite russische Kriegsgefangene oder britische Militärpolizisten (unterschiedliche Angaben) wegen seines zu neu erscheinenden Ausweises aufgefallen. Zur Klärung seiner Identität wurde er nach Lüneburg gebracht, wo er am 23. Mai 1945 im Verhörzimmer durch Suizid mit einer in einer Zahnlücke im Unterkiefer versteckten Zyankalikapsel starb. Sein Leichnam wurde sofort danach an einem unbekannten und nicht gekennzeichneten Platz begraben.

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