Waldemar Otto

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Waldemar Otto

Wer eine Kerze in der Hand hat, signalisiert: Ich habe keine Hand frei, um Steine zu werfen.

Prof. Waldemar Otto aus Worpswede zitiert den ehemaligen Leipziger Pfarrer und Mitinitiator der Montagsgebete Christian Führer, als er uns vor den Transparente schwingenden Arbeitsmodellen seinen Entwurf für das Freiheits- und Einheitsdenkmal auf der Schlossfreiheit in Berlin seine Absichten erläutert. Die Proteste in Leipzig und Berlin spielen eine große Rolle, Gewaltlosigkeit ist ihm ein wichtiger Aspekt.

Nach langer Pause für die 999 Gesichter hatte ich am Samstag das große Vergnügen, einen schon lange geplanten Besuch mit der Kamera abstatten zu dürfen. Und nicht nur der Besuch selbst, sondern auch der darauf folgende Sonntag der Recherche hat mich beeindruckt und bereichert. Nur mal ein Beispiel: ich blättere auf den Seiten der Hermitage in St. Petersburg, eines der größten und bedeutendsten Kunstmuseen der Welt. Was steht dort im Room of European Art of the 20th Century, unter einem Dach mit Werken von Michelangelo, Rodin, da Vinci, Rembrandt, Goya und dergleichen?

Der Mann im November steht da, geschaffen von Waldemar Otto, schlichtweg einem der bedeutendsten zeitgenössischen Bildhauer. Und wer es so schnell nicht in die Hermitage schafft, hat in zahlreichen deutschen Städten und auch im Ausland gute Chancen, seine Skulpturen auf öffentlichen Plätzen und in Gebäuden zu sehen: Berlin, Bremen, Bremerhaven, Duisburg, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Lübeck, Osnabrück, Rostock oder Chicago, Hahnville und Indiana in den USA. Oder auch diesseits des Tellerrandes den Neptunbrunnen auf dem Bremer Domshof, den Christopherusbrunnen an der Osterholzer Klosterkirche, den Bacchusbrunnen an der Großen Kunstschau in Worpswede oder Bulle & Bär vor der Kreissparkasse in OHZ.

Aber viel mehr noch als die internationalen Anerkennung haben mich die Präsenz und Anteilnahme beeindruckt, die Otto ausstrahlt. Viele seiner Werke übrigens auch, was mir so nicht bewusst war. Die Werkgruppe Agamemnon und Iphigenie beispielsweise, 2002 aus Trauer und Zorn über den unmittelbar bevorstehenden Irakkrieg mit einer Skulptur des Agamemnon initiiert, als dunkles und bedrohliches Symbol der Machtgier. Über viele Jahre bis 2011 fortgeführt mit mehreren Instanzen der Iphigenie als weiterer Hauptfigur. Die in der griechischen Mythologie für günstige Winde geopferte Tochter steht und liegt für Menschlichkeit, Sehnsucht und Verzweiflung als Gegenpole zur Machbesessenheit des Vaters.

Otto wurde am 30. März 1929 in Petrikau bei Lodz geboren. Er studierte Bildhauerei an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin, wo er mit Unterbrechungen bis 1972 lebte. 1973 trat er eine Professur an der Hochschule für Gestaltung (heute Hochschule für Künste) in Bremen an und lebt jetzt seit über 35 Jahren in Worpswede.

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