Museumsanlage Osterholz-Scharmbeck

Museumsanlage Osterholz-Scharmbeck
Eingang zur Museumsanlage Osterholz-Scharmbeck
Die Museumsanlage Osterholz-Scharmbeck (Webseite) gruppiert sich rund um das Findorffhaus auf dem Gelände des ehemaligen Klostergutes im Ortsteil Osterholz. Zu ihr gehören das Norddeutsche Vogelmuseum, das Heimatmuseum, das Mitmachmuseum und das Museum für Schifffahrt und Torfabbau. In Folge eines immensen Sanierungsbedarfs und sinkender Besucherzahlen geriet sie seit 2010 immer wieder in die Schlagzeilen. Der derzeitige Träger, die Kulturstiftung Landkreis Osterholz, stellte den Betrieb im Frühjahr 2017 aufgrund der sich zuspitzenden finanziellen Situation ein.

Seither wird die Anlage durch die “Freunde und Förderer der Museumsanlage des Landkreises Osterholz und des Norddeutschen Vogelmuseums“ provisorisch betrieben. Diese Vereinbarung zwischen Stiftung und Verein gilt vorerst bis Ende 2018. Der Verein mit seinen 100 Mitgliedern (Stand 11.2018, Quelle Osterholzer Kreisblatt 22.11.2018) erhält dafür einen Zuschuss in Höhe von 50.000 Euro jährlich, während die Stiftung weiterhin die Fixkosten für Energie, Versicherungen usw. trägt.

1. Geschichte der Museumsanlage

Zur früheren Geschichte des Findorffhauses siehe diesen Artikel. 1960 stellte der Landkreis das Gebäude dem Heimat- und Museumsverein für dessen Sammlung zur Verfügung. Diese war 1930 von Segelken, einem der Gründungsmitglieder des Vereins, im „Altdeutschen Haus“ (Hundestr. 210 bzw. später Nr. 11) eingerichtet worden.

1976 übergab der Heimatverein die Ausstellungsstücke dem Landkreis, der sie fortan unter Leitung von Klaus-Peter Schulz als Kreisheimatmuseum präsentierte. In den folgenden Jahren wurde die Anlage suksessive um weitere Gebäude und Ausstellungsmodule erweitert und nach Hinzufügen des Vogelmuseums 1989 in Museen des Landkreises umbenannt. 1989-91 wurde das Findorffhaus umfangreich saniert und innen mit Stahlträgern stabilisiert, weil das Fundament abzusacken drohte, Balken im Dachgeschoss angebrochen und die Kellerdecken morsch waren. 1990 übernahm Karla Lütjen die Leitung von ihrem Vorgänger Schulz.

2. Museumsanlage Osterholz-Scharmbeck seit 1985

Lageplan Museumsanlage Osterholz-Scharmbeck
Lageplan der Gebäude (vergrößern)
Das Findorffhaus ist heute Heimatmuseum mit Schauräumen zur bürgerlichen Wohnkultur und regionalen Industriegeschichte. Darunter Werkstätten eines Schuhmachers und eines Zigarrenmachers sowie als „Roter Salon“ auch die ausrangierten Wohnzimmermöbel der Henke-Villa. Diese sind 2004 bis 2012 für € 13.000 restauriert worden. Die Leiterin des Museums wusste 2012 nur, dass sie in den 1960er Jahren von der Familie Henke gestiftet worden waren, „Angehörigen eines Direktors oder Betriebsleiters der 1874 gegründeten Reiswerke. … Sicher ist nur, dass die Familie begütert war“. (Quelle: Osterholzer Kreisblatt 22.02.2012) Tatsächlich war Karl Henke (1890-1942) seit 1934 Betriebsleiter der Reiswerke und NSDAP-Ratsherr im Stadtrat von Osterholz-Scharmbeck. 1941 war er Wirtschaftsberater der NSDAP-Kreisleitung und Mitgründer sowie Beiratsmitglied des Heimatvereins. (Quelle: Menkhoff)

Flechtwerkscheune Osterholz-Scharmbeck
Flechtwerkscheune
Die mindestens 200 Jahre alte Flechtwerkscheune wurde dem Museum 1965 von Diedrich Wohltmann aus Pennigbüttel gestiftet. Der Fachwerkbau mit dem Gefach aus Eichenstäben und geflochtenen Weidenzweigen spielt übrigens in einer unheimlichen Geschichte aus den Nachkriegstagen 1945 eine Nebenrolle.

Das alte Backhaus wurde 1966 von Hinrich Jagels aus Pennigbüttel-Wiste gestiftet. Es beherbergt Backstube und Steinofen und war in vielen Moordörfern Kommunikationszentrum für die Dorfbewohner.

Die Gebäudereihe des Norddeutschen Vogelmuseums (Webseite) wurde zwischen 1973 und 1989 in mehreren Schritten an das Findorffhaus angebaut. Auf einer Gesamtfläche von über 800 m2 sind mehr als 450 ausgestopfte Exemplare von über 220 mitteleuropäischen Vogelarten ausgestellt, in Jahrzehnten liebevoll zusammengestellt vom Augenarzt und Hobby-Vogelkundler Dr. Walther Baumeister. Attraktion sind zwei große Dioramen mit der Vogelwelt aus Hammeniederung und Wattenmeer.

Das reetgedeckte Niedersächsische Bauernhaus der Familie Schröder wurde 1701 in Scharmbeckstotel errichtet und musste dort 1976 einer Straße weichen. 1978 wurde es im Museum wieder aufgebaut und enthält bäuerliche Einrichtungen und Geräte des 18. und 19. Jahrhunderts.

Die 1984 als Mitmachmuseum auf dem Gelände errichtete ehemalige Hofscheune aus Ohlenstedt-Bilohe wurde um 1800 gebaut und um 1906 auf das Doppelte verlängert.

Das Museum für Schifffahrt und Torfabbau liegt etwas außerhalb des eigentlichen Geländes. Dort wurde 1984 eine 20 m lange „Torfschute“ aufgestellt, die bei der Freilegung des verlandeten Torfkanals bei Bargschütt ans Tageslicht kam. Die vermutlich in den 1920er-Jahren gesunkene Schute wurde teilweise restauriert und viele Jahre in einem Tauchbecken konserviert. 1985 wurde um sie herum die ehemalige Scheune einer Ritterhuder Hofanlage wiederaufgebaut.

3. Die Ära der Kulturstiftung

Vor dem Hintergrund eines Haushaltsdefizits von über 1 Mio. DM und eines Sanierungsstaus an den Museumsgebäuden gründeten der Landkreis Osterholz und die damalige Kreissparkasse Osterholz 1999 die Kulturstiftung Landkreis Osterholz. Als gemeinnützige Stiftung öffentlichen Rechts übernahm sie acht von 14 Mitarbeitern des Kreiskulturamtes und fortan die Trägerschaft für die Große Kunstschau mit dem Cafe in Worpswede und das Ensemble in Osterholz-Scharmbeck, jetzt unter dem Namen Museumsanlage Osterholz-Scharmbeck. Man versprach sich davon bessere Bedingungen für das Einwerben von Spenden und eine effizientere Betriebsführung. Anfang 2000 spendete die Kreissparkasse der Stiftung noch 1 Mio. DM, musste aber kurz darauf in Folge geänderter Bankengesetze von eigentlich geplanten regelmäßigen Ausschüttungen Abstand nehmen. Seither leidet die Stiftung unter einer „strategischen Unterfinanzierung”, die eigentlich geplante Rücklagen für Reparaturen und Instandhaltung verhinderte. (Quelle: Osterholzer Kreisblatt 03.12.2015)

3.1. Besucherzahlen

Besucherzahlen Museumsanlage Osterholz-Scharmbeck
Besucherzahlen
(Quellen: Osterholzer Kreisblatt 2007-2010, Machbarkeitsstudie 2018, Haushaltsplanentwurf 2019)
Seit 2007 hat die Museumsanlage mit abnehmenden Besucherzahlen zu kämpfen. Ein „Ausreißer” im Jahr 2013 war dem Sondereffekt des einmaligen Familientages im Mai 2013 geschuldet. Er alleine zog über 2.500 Besuchern an, wurde aber auch von 14 Firmen, Institutionen und Vereinen in Kooperation mit dem Museum organisiert.

Eintritt zahlende Besucher machten insgesamt etwa 40 % aus (25 % Erwachsene, 15 % Kinder), im Schnitt zuletzt 22 Besucher pro Öffnungstag. Bei Großveranstaltungen wie Kunsthandwerker-, Antik- und Trödelmarkt oder dem Familientag ist der Eintritt frei.

3.2. Zunehmende Kontroversen

Vor dem Hintergrund sinkenden Besucherinteresses und zunehmender Finanzprobleme entspann sich im Laufe des 21. Jh. eine zunehmend öffentlich ausgetragene Diskussion zwischen Kulturstiftung, Landkreis, Förderverein und Erbengemeinschaft Dr. Baumeister. Sie dreht sich um Zukunft und Ausrichtung der Museumsanlage und wird in den letzten Jahren zunehmend emotional geführt.

Der gemeinnützige Förderverein besteht seit 1994 und will „das Norddeutsche Vogelmuseum (Sammlung Dr. Baumeister) und die heimatkundlichen Museen in Osterholz-Scharmbeck” fördern. Die Erben von Dr. Baumeister „fühlen sich dem mit Elan und Kompetenz geschaffenen Lebenswerk ihrer Eltern verpflichtet, um das Vogelmuseum auch in Zukunft zu pflegen und weiterzuentwickeln.” (Quelle: Webseite Vogelmuseum) Sie haben der Kulturstiftung die Vogelsammlung als dauernde Leihgabe zur Verfügung gestellt, um sein Lebenswerk zu erhalten.

2005 erhoffte sich der Förderverein durch Herausgabe des Buches Faszination und Vielfalt der Vogelwelt Mitteleuropas – Das Norddeutsche Vogelmuseum Sammlung Dr. Walther Baumeister (Autor Dr. Christoph Hinkelmann) „einen Schub für das Vogelmuseum”. Als Vorsitzender des Stiftungs-Kuratoriums stellte Karl-Heinz Marg auf der Jahresversammlung des Fördervereins Ende 2006 fest: „Mit angestaubten Präsentationen und schlichten Informationstafeln lassen sich keine neuen Besucher gewinnen”. Er setzte sich für eine „Große Lösung” mit aufwändiger 3-D-Präsentation im Vogelmuseum ein, sofern dafür EU-Fördermittel zu gewinnen wären. Sollte es mit der Förderung nicht klappen, wäre es „vorerst vorbei mit dem Optimismus”. (Quelle: Osterholzer Kreisblatt 29.11.2006) Und ein Jahr später: „Wir können Museen nicht mehr führen wie gestern und vorgestern”, nach Ansicht von Marg würden die Besucherzahlen der Museumsanlage nur verwaltet. (Quelle: Osterholzer Kreisblatt 12.12.2007)

2010 verursachte die Museumsanlage bei der Kulturstiftung nach Vollkostenrechnung ein jährliches Defizit von knapp 200.000 €. Das entsprach knapp der Hälfte des vom Landkreis an die Kulturstiftung gezahlten Defizitausgleichs. Der damalige Landrat Jörg Mielke im Kreisentwicklungsausschuss: „Der Hauptdefiziterbringer für die Kulturstiftung ist die Museumsanlage”, erfolgreiche Veranstaltungen wie der Kunsthandwerkermarkt oder andere besondere Ereignisse könnten nicht darüber hinweg täuschen, dass in der Museumsanlage im Schnitt so gut wie gar nichts los sei. Der Landkreis sah auf Grund der geringen Besucherzahlen keinen nennenswert positiven Effekt für das Regionalmanagement und die regionale Wertschöpfung.

Mitte 2010 stellte das auf Ausstellungen spezialisierte Beratungsunternehmen Impuls-Design die Ergebnisse seiner Machbarkeitsstudie vor, die der Landkreis für rund 50.000 Euro in Auftrag gegeben hatte. Sie empfahlen Investitionen in Höhe von knapp 3.6 Mio Euro, eine Fokussierung auf die Teufelsmoor-Saga und sahen dafür ein Besucherpotenzial von 35.000 pro Jahr. Die Prognosen hinsichtlich Besucherzahl und resultierender Einnahmen wurden jedoch von Verwaltung und Politik als wenig realistisch eingeschätzt und es gelang nicht, auf dieser Basis Fördermittel einzuwerben.

2013 stellte die Kulturstiftung den Antrag, der Landkreis möge die Museumsanlage zurücknehmen, was von diesem aber abgelehnt wurde. Im Februar 2017 gab die Kulturstiftung dann die Schließung der Anlage bekannt. Bei einem jährlichen Minus von 120.000 Euro sei mittlerweile ein Gesamtdefizit von 330.000 Euro aufgelaufen. Man müsse deshalb „die Reißleine ziehen”, um eine Insolvenz der Stiftung zu verhindern. Mit der Teufelsmoor-Saga habe man ein Konzept für die Anlage vorgestellt, deren Aussichten mittels einer Machbarkeitsstudie hätte geprüft werden sollen. Die Beauftragung dieser Studie sei „an unterschiedlichen Gesprächskulturen” seitens des Landkreises auf der einen Seite und der Baumeister-Erben als Eigentümer der Vogelpräparate auf der anderen Seite gescheitert. Der Vertrag über die Leihgabe sei wegen „fehlender Mitwirkung der Familie Baumeister an der Weiterentwicklung und Neukonzeption der Museumsanlage“ gekündigt worden. (Quelle: Osterholzer Anzeiger 10.02.2017)

Die Baumeister-Erben warfen der Kulturstiftung vor, sie habe im Vergleich zu den Museen in Worpswede nicht genügend Aufwand in die Osterholzer Museumsanlage gesteckt, sie sei „stillgeschwiegen worden”. (Quelle: buten un binnen 09.03.2017) Das Museum in seiner jetzigen Form sei „angestaubt“ und „nicht mehr zeitgemäß“. Sie präsentierten ein eigenes Konzept, dass unter anderem Gastronomie, erweiterte Öffnungszeiten, modernere Ausstattung mit Audioguides und Touchscreen-Monitoren sowie hauptamtliche Fachkräfte vorsah. Aus Sicht der Kulturstiftung mangelte es dem Konzept an Finanzierungsvorschlägen. „Zahlen stehen da ja gar nicht drin“, so deren Kuratoriumsvorsitzender Herrmann. Im Haushaltsjahr 2017 musste der Landkreis zusätzlich zu den alljährlichen 400.000 Euro weitere 330.000 Euro als Defizitausgleich für die Kulturstiftung einbringen. Zum Vergleich: die Betriebszuschüsse an die Bildungsstätte Bredbeck beliefen sich auf 240.000, an die Kreismusikschule auf 168.000 und an die Erwachsenenbildung auf 41.000 Euro.

4. Aktueller Stand

4.1. Gutachten 2018

Machbarkeitsstudie
Machbarkeitsstudie 2018
Anfang 2018 stellten die Berater Erlebniskontor/Thomas Beiße die Ergebnisse einer zweiten Machbarkeitsstudie vor, die unter Einbeziehung von Kreisverwaltung, Stiftung, Verein und Familie Dr. Baumeister erstellt worden war. Sie stellten ein Konzept „Findorff & Vögel & Hammeniederung” mit einer deutlich reduzierten Zahl von Exponaten und einer Storyline vor. Sie skizzierten dabei (im Vgl. zur „Großen Lösung” des Gutachtens von 2010) eine „Kleine Lösung” und eine „Mittlere Lösung”. Die Kosten für die sog. kleine Lösung hatten sie inkl. Sanierung des Findorffhauses auf rund 3.6 Mio Euro geschätzt, für die große Lösung mit Neubau auf dem Areal des ehemaligen OKD-Hauses auf ca. 5.0 Mio Euro. Für beide Lösungen gleichermaßen rechnen die Gutachter mit 15.000 Besuchern und 250.000 Euro Subventionsbedarf pro Jahr.

4.2. Kreistagsbeschluss September 2018

Die Landkreisverwaltung rechnete nach und ergänzte Kosten für die projektierte Verlagerung des Heimatmuseums aus dem Findorff-Haus in das Niedersächsische Bauernhaus, die Verlagerung des Museums für Schifffahrt und Torf sowie die Schaffung von Parkplätzen. Sie kam auf einmalige Investitionskosten von mindestens 6,7 Mio Euro für die sog. mittlere Lösung. Mit Zins und Tilgung wurde so eine langfristige Haushaltsbelastung in Höhe von über 600.000 € jährlich ermittelt. Dieser Variante A wurden eine Variante B (Schließung und wirtschaftliche Verwertung) und, sozusagen als Kompromisslösung, eine Variante C (Erhalt und Sanierung mit Betrieb durch den Förderverein) gegenübergestellt. Landrat Bernd Lütjen empfahl dem Kreistag die Variante C, bei mangelnder Zustimmung sonst Variante B.

Der Kreistag stimmte im September 2018 mehrheitlich für die Variante C und die Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel im Planentwurf 2019. Die Variante C sieht vor, das Findorff-Haus denkmalgerecht zu sanieren, aus Kostengründen aber von weiteren Modernisierungen oder Erweiterungen der Anlage abzusehen. Nach der Sanierung sollen Weiterbetrieb der Museumsanlage und Grundstückspflege durch den Förderverein erfolgen, der dafür einen pauschalen jährlichen Zuschuss von 100.000 € (bislang im Notbetrieb 50.000 €) erhält. Der Landkreis trägt außerdem die gebäudebezogenen Fixkosten für Energie, Versicherung, Bauunterhaltung usw. in Höhe von ca. 80.000 € jährlich. Inkl. Tilgung und Zinsen wird mit einer jährlichen Belastung des Kreishaushaltes in Höhe von ca. 300.000 € gerechnet. Sollte der Bund die Sanierung in voller Höhe (50 % der Kosten) anerkennen und fördern, könnte sich dieser Betrag auf ca. 240.000 € reduzieren.

Mit dem Förderverein müssen jetzt die genauen Modalitäten einer Vereinbarung über jährlichen Zuschuss, Laufzeit und Kündigungsrechte vereinbart und abschließend vom Kreisausschuss beschlossen werden. Planung und notwendige Gespräche sollen 2019 abgeschlossen werden, um 2020 mit konkreten Maßnahmen beginnen zu können.

Kommentar

Wo ist die Grenze zwischen staatlich subventioniertem Kulturgut und Sammelleidenschaft von Liebhabern? Wer entscheidet über den kulturellen Wert und den Nutzen einer Sammlung von historischen Gegenstände oder präparierten Tierleichen? Schwierige Fragen … und fast alle Antworten sind hochgradig subjektiv. Sobald eine solche Sammlung aber unter der Überschrift „Kultur” mit öffentlichen Geldern subventioniert werden soll, kommt man nicht umhin, sich mit ihrer Notwendigkeit und ihrem Nutzen auseinanderzusetzen.

Hinsichtlich der Exponate in der Museumsanlage gehen die Meinungen auseinander. Stichwort Vogelmuseum: Der nach eigenen Angaben quasi mit der Vogelsammlung aufgewachsene Biologe Dr. Hinkelmann sieht im Vogelmuseum „das einzige Alleinstellungsmerkmal der Museumsanlage” und fordert in einer von den Baumeister-Erben initiierten Konzeptskizze, „dass der Zukunft des Norddeutschen Vogelmuseums in der Museumsanlage eine besondere Aufmerksamkeit zukommen muss.” Das vom Landkreis befragte Amt für regionale Landesentwicklung Lüneburg hingegen urteilt so: An einem Standort zwischen Weltvogelpark Walsrode und Weltnaturerbe Wattenmeer kann sich eine Vogelsammlung, die lediglich Präparate umfasst, gegenüber hoch attraktiven Konkurrenzangeboten mit lebendigen Tieren nicht durchsetzen. Am Thema Natur interessierte Gäste erleben die Natur lieber mit allen Sinnen selbst, anstatt in geschlossenen Räumen mehr über sie zu erfahren.

Auch wenn ich es sehr bedaure, so bleibt es doch eine Tatsache, dass immer weniger Menschen an den Exponaten der Museumsanlage interessiert sind. Zusätzliche Angebote wie Konzerte, Trödel- und Antikmärkte steigern die Besucherzahl, fördern den Zweck als Museum aber nur begrenzt. Ein Erlebnis-„Museum” mit Touchscreens, 3-D-Animationen und Gastronomie würde das Interesse sicher steigern. Dafür allerdings bedürfte es kaum noch der jetzigen Ausstellungsstücke. Nicht umsonst findet man im besucherstärksten Bremer Museum, dem Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven, nur wenige tatsächlich historische Stücke. Das Meiste ist reproduziert oder gänzlich nachgebaut fast wie in der Disneyworld. Reine Sammlungen von Gegenständen und/oder Informationen werden es immer schwerer haben, wenn es sich nicht um die „ganz große Kunst” handelt. Es ist zu erwarten, dass viele traditionelle „Besichtigungsmuseen” ein ähnliches Schicksal erleiden werden wie gedruckte Enzyklopädien. Zur Recherche und Anschauung haben Google, Wikipedia und Youtube ihnen schon heute den Rang abgelaufen und jede nachrückende Generation wird diesen Trend beschleunigen.

Ich nehme deshalb an, dass das jetzt getroffene Arrangement den Exponaten leider keine längerfristige Zukunft bescheren wird. Die „Variante C” getaufte Kompromissformel mag notwendig und sinnvoll sein, um den hochengagierten ehrenamtlichen Museumsförderern Respekt zu zollen. Sie hilft auch mit Sicherheit, das parkähnliche Grundstück und das sog. Mitmachmuseum als Versammlungs- und Veranstaltungszentrum noch einige Jahre nutzen zu können. Sie wird aber nicht zu einem vermehrten Interesse an den Ausstellungsstücken führen. Ob die jetzt projektierten 300.000 Euro jährlicher Haushaltsmittel dann auch langfristig zu rechtfertigen sind, wird an einem anderen Tag zu entscheiden sein.

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